2000

Reiserechts-Förderpreis des Jahres 2000

Preisträgerin: Frau Panajota Papadopoulou

Promotion: "Reiserecht in Griechenland"

Laudatio zur Verleihung des 3. Reiserechtsförderpreises der DGfR in Bonn am 29.09.2000

Von PräsOLG Edgar Isermann, Braunschweig

Die Preisträgerin, Panajota Papadopoulou, ist in Deutschland aufgewachsen, hat in Griechenland Rechtswissenschaften studiert und war in Athen als Rechtsanwältin tätig, bevor sie nach Deutschland zurückgekehrt ist und für einige Zeit am Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung beschäftigt war. Mit dieser von Prof. Tonner betreuten Arbeit ist sie vor Kurzem an der juristischen Fakultät der Universität Rostock promoviert worden. Der Gegenstand ihrer Arbeit ist ebenso international wie interdisziplinär, wie diese biographischen Daten es zeigen.

Wie der Titel der Arbeit andeutet, nimmt die Autorin den Reiseveranstalter zweifach in den Blick und beleuchtet dessen Rechtsbeziehungen zum Verbraucher einerseits und zu dem Hotelier als Leistungsträger andererseits. Mit anderen Worten: Diese doppelte Blickrichtung eröffnet die Perspektive auf zwei verschiedene Rechtskreise mit unterschiedlichen Problemfeldern.

Dem ersten Teil stellt die Verfasserin die geografischen, wirtschaftlichen und politischen Grundlagen des Tourismus in Griechenland für die weiteren Betrachtungen voran. Dabei weist sie zu Recht darauf hin, dass der Schutzbedarf des griechischen Verbrauchers mangels eines nennenswerten eigenen sogenannten Outgoing-Tourismus in Griechenland eine weniger praktische Bedeutung hat als es umgekehrt etwa für den sonnehungrigen und deshalb besonders reiselustigen Mitteleuropäer der Fall ist.

Dennoch musste auch Griechenland wie alle übrigen EU-Mitgliedsstaaten die EU-Pauschalreise-Richtlinie von 1990 in nationales Recht umsetzen. Hierzu verhalten sich zunächst die Ausführungen der Autorin. Sie erläutert die Rechtslage vor der Umsetzung der EU-Richtlinie, stellt sodann den einschlägigen Präsidialerlass von 1996 vor und verdeutlicht, dass das griechische Reisevertragsrecht heute nur aus einer Zusammenschau dieser Präsidialverordnung mit den Normen des griechischen Zivilgesetzbuches zu verstehen ist. Die sich daraus ergebenden Anwendungsprobleme werden erläutert.

Besondere Hervorhebung verdient der zweite Teil der Arbeit. Hier beleuchtet die Autorin Theorie und Praxis beim Hotelreservierungsvertrag. Damit problematisiert sie das Verhältnis des Reiseveranstalters zu einem Leistungsträger, das bisher in Literatur und Rechtsprechung weniger im Vordergrund stand als andere Rechtsbeziehungen beim Organisieren, Verkaufen und Durchführen einer Reise. Erstmals in der reiserechtlichen Literatur ist hier sozusagen eine andere wichtige Seite der Veranstalteraktivitäten einer näheren Untersuchung zugeführt worden, nämlich gegenüber dem Hotelgewerbe in einem Zielland des Tourismus.

Die Autorin begnügt sich nicht mit abstrakten Rechtsausführungen. Sie macht das Spannungsverhältnis von Recht und Rechtswirklichkeit zum eigentlichen Gegenstand ihrer Fragestellung. Die Rechtslage des geschriebenen Rechtes wird anhand einer umfangreichen und detaillierten empirischen Untersuchung dem praktischen Recht gegenüberstellt. Dabei konstatiert sie eine erhebliche Divergenz zwischen dem stark entwickelten Verbraucherschutz auf der europäischen Ebene und dem weniger ausgeprägten oder gar fehlenden Vertragsschutz des mittelständischen Hotelgewerbes. Die Bedeutung dieser neuen Blickrichtung dürfte nicht nur die reiserechtliche Diskussion bereichern. Die Thematik ist rechtspolitisch wie mittelstandspolitisch sicher auch deshalb von besonderer Aktualität, weil diese Fragen zum Beispiel für den Tourismus in osteuropäische Länder sicher nicht weniger praktische Relevanz haben dürften. Das zeigt das Ergebnis der Untersuchung.

Die Gesetzeslage in Griechenland ist zunächst ziemlich eindeutig. Der Gesetzgeber geht von einem wirtschaftlichen Gefälle zwischen den Vertragsparteien Veranstalter und Hotelier aus und regelt deshalb in den Vorschriften des Gesetzes 165211986 neben den Fragen des Gerichtsstandes und des anwendbaren Rechtes Einzelheiten zugunsten eines besonderen Vertragsschutzes der Hoteliers, z. B. bei der Risikoverteilung in der Zimmerauslastung und der Fristenfrage bei der Rückgabe nicht in Anspruch genommener Zimmer.

In dem sich anschließenden Kapitel prüft die Verfasserin, wie sich die Rechtspraxis mit dieser Gesetzeslage verträgt. Mit den Methoden der empirischen Sozialforschung hat sie einen Fragebogen mit 38 Fragen entwickelt, den sie an 141 Unternehmen verschickt hat. In einer detaillierten Auswertung der Ergebnisse dieser Fragebogenaktion kommt sie zu einem vernichtenden Ergebnis. Danach steht fest, dass der im griechischen Gesetz vorgesehene Vertragsschutz des Hoteliers in der Praxis weitgehend ignoriert wird. Dieses Ergebnis hält die Autorin wegen der Wahlmöglichkeiten zum Gerichtsstand und anwendbaren indes selbst nicht für besonders überraschend.

Weniger dieses Ergebnis als vielmehr der empirische Beleg macht den Wert dieser Arbeit aus. Konzeption und Auswertung der empirischen Erhebungen sind sehr verdienstvoll. Hier wird mit Fakten belegt, wie gering die Möglichkeiten eines nationalen Gesetzgebers sind. Mit ihren Überlegungen reklamiert die Autorin ein berechtigtes Interesse vor allem der kleinen Gewerbetreibenden an einem effektiven Vertragsschutz. Welche Wege hierfür zu beschreiten sein werden, lässt die Autorin bewusst offen. Nur andeutungsweise wird eine Regelung auf europäischer internationaler Ebene als erforderlich oder erstrebenswert gehalten. Für solche Vorhaben stellt diese Arbeit eine wichtige Bestandsaufnahme aus der Rechtswirklichkeit zur Verfügung.

Rechtsvergleichende Aspekte, insbesondere des deutschen und des schweizer Rechts, runden die angestellten Betrachtungen ab.

Die Deutsche Gesellschaft für Reiserecht hat der Autorin den Reiserechts-Förderpreis 2000 verliehen und wird für diese verdienstvolle Arbeit in einer Schriftenreihe aufnehmen.

Papadopoulou, Panajota, Reiserecht in Griechenland. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter nach griechischem Recht und zwischen dem Reiseveranstalter und dem Hotelier. Eine theoretische und empirische Untersuchung über den Hotelreservierungsvertrag. (Diss. Rostock 2000)