1999

5. ITB-Veranstaltung Berlin 1999

  • Wettbewerbsrecht im Tourismus – Grauzonen zwischen Reiserecht und unfairem Wettbewerb, (V) Prof. Dr. Ernst Führich

(V) = Vortrag   (M) = Moderation   (P) = Podiumsteilnehmer

Rückblick

Wirtschafts- und Reiserechtler plädieren auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin für Anpassung an internationale Wettbewerbsbedingungen

Das deutsche Rabattgesetz und die Zugabeverordnung erweisen sich für Unternehmen der Reisebranche immer mehr als Wettbewerbshindernis und sind in der heutigen globalisierten Wirtschaft nicht mehr zeitgemäß. Deshalb sollte der Gesetzgeber endlich daran gehen, sie abzuschaffen. Dafür hat der Kemptener Wirtschafts- und Reiserechtler Professor Dr. Ernst Führich auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin plädiert. "Gerade die auf globalisierten Märkten arbeitenden Reiseunternehmen werden dadurch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt, gelten doch diese Restriktionen gerade in angelsächsischen Staaten nicht", sagte Führich auf einer stark beachteten Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht (DGfR), deren Vorstand er angehört. Zahlreiche Teilnehmer aus Reiseunternehmen unterstützten Führichs Argumentation. Vorbehalte äußerte der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verband, der Nachteile für den Mittelstand befürchtet, wenn Rabattgesetz und Zugabeverordnung entfallen.

Die im Februar veröffentlichte Entscheidung des Bundesrichtshofs zum Bonusmeilen-System von American Express hat erneut verdeutlicht, daß das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung – beide stammen aus den 30er Jahren - nach wie vor gelten. Das Kreditkartenunternehmen darf sein Bonussystem in Deutschland nicht mehr praktizieren. Auch die Deutsche Lufthansa AG befindet sich mit ihrem neuen Bonusmodell, das sie gemeinsam mit dem Kreditkartenunternehmen Visa anbietet, nach diesem Urteil juristisch auf dünnem Eis. Die Kunden erhalten dabei, ähnlich wie im nun untersagten Amexco-Bonussystem, für Umsätze mit der Visa-Lufthansa-Kreditkarte Meilengutschriften bei der Fluggesellschaft.

Mit dem Wegfall der gesetzlichen Vorschriften zu Rabatten und Zugaben wäre nach Führichs Meinung keineswegs dem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet: Überzogene Rabatte und Zugaben könnten schon heute mit Hilfe der Paragraphen 1 und 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bewältigt werden, erklärte der Jurist. Auch der Verbraucherrechtler Professor Dr. Klaus Tonner von der Universität Rostock sieht, wie er in Berlin sagte, durch das UWG den Schutz der Verbraucher vor Wildwuchs etwa in Form von Pseudo-Rabatten gewährleistet.

Die Spannungsfelder zwischen Recht und Touristik bestehen laut Führich heute nicht mehr nur im Verhältnis zu den Kunden, die – mit einer Mißerfolgsquote von 75 Prozent - behauptete Reisemängel einzuklagen versuchen, sondern zunehmend auch im Wettbewerbsdruck durch die Mitbewerber: "Die Fallstricke des Wettbewerbsrechts zum Konkurrenten stellen heute einen bedeutenden Eingriff in das Reiseunternehmen dar und sollten in ihren finanziellen Folgen nicht unterschätzt werden." Aus Verstößen von Reiseveranstaltern und Reisebüros gegen das UWG, die Preisangabenverordnung, das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung drohen teuere Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Gerichtsverfahren. Dabei seien Verstöße gegen das Rabattgesetz derzeit die häufigsten Fälle, mit denen sich die Gerichte befassen müßten.

So sind Sonderpreise wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verbrauchergruppe wie Studenten, Senioren oder Arbeitslose nach Paragraph 1 II Rabattgesetz verboten. In diesem Zusammenhang kommt dem von der Bad Homburger Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs betriebenen Verfahren gegen die Seniorenpreise des Reiseveranstalters FTI Touristik, das derzeit beim Oberlandesgericht München liegt, besondere Bedeutung zu. Nach Führichs Auffassung ist der oft gezogene Vergleich der Seniorenpreise mit Kinderpreisen nicht zutreffend: "Bei Kinderermäßigungen handelt es sich stets um eingeschränkte Leistungen." Seniorenrabatte hingegen stellen einen unzulässigen Sonderpreis für einen bestimmten Verbraucherkreis dar. Das gleiche gilt, wenn etwa ein Reisebüro damit wirbt, daß Beamte einen Rabatt von zehn Prozent erhalten.

"Völlig ungereimt" ist laut Führich die Ausnahme, die der Deutschen Bahn AG für ihre Beförderungstarife für Senioren und Inhaber der Bahncard zugestanden wird. Nach der Rechtsprechung solle hier ein zulässiger Sondertarif für Gruppen, nämlich die Inhaber dieser Bahncards, vorliegen.