2000

6. ITB-Veranstaltung Berlin 2000

 

  • Service-Entgelt im Reisebüro: Rechtsfalle oder Chance?, (M) Klaus Hildebrandt, (P) Dr. Tobias Brönneke, (P) Herr Hamburger, (P) Frau Hieke, (P) Herr Noll, (P) Herr Oetterli, (P) Frau Zedelmaier 

(V) = Vortrag   (M) = Moderation   (P) = Podiumsteilnehmer

Rückblick

Von Beatrix Lindner, Berlin      
             
Im Rahmen der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin führte die Deutsche Gesellschaft für Reiserecht am 12. März 2000 eine Podiumsdiskussion durch. Zum Thema "Service-Entgelt im Reisebüro: Rechtsfalle oder Chance?" stritten Vertreter der Reisebranche und der Verbraucherverbände über die zunehmende Praxis deutscher Reisebüros, auf Grund von Provisionskürzungen so genannte Service-Entgelte von ihren Kunden zu verlangen.

Auf dem Podium saßen Herr Dr. Brönneke, Justitiar der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV), Herr Hamburger, Justitiar des DRV, Frau Hieke, Mitglied des Vorstands des DRV und Inhaberin eines Reisebüros in Ibbenbüren, Herr Rechtsanwalt Noll aus Stuttgart, Mitglied des Vorstands der DGfR, Herr Oetterli, Ombudsman der Schweizer Reisebranche, sowie Frau Zedelmaier, Vorsitzende des asr und Inhaberin eines Reisebüros in München. Die Moderation übernahm der Chefredakteur der fvw, Herr Hildebrandt.

Nach den einleitenden Worten von Prof. Dr. Schmid, Präsident der DGfR, stellte der Moderator dem Auditorium zunächst zwei Fragen: "Wer von Ihnen weiß, was ein Service-Entgelt ist?", "Wer von Ihnen wäre auch bereit, ein solches zu zahlen?". Der überwiegende Teil der Anwesenden meinte erstere Frage beantworten zu können; nur etwa ein Drittel aller zeigte allerdings die Bereitschaft, Service-Entgelte auch zu entrichten. Letzteres, so Hildebrandt, spiegele durchaus die Einstellung der Verbraucher wider.

Hieke berichtete sodann von ihren ausnahmslos positiven Erfahrungen mit der Einführung von Service-Entgelten für diejenigen Bereiche, in denen die Provisionen zur Kostendeckung ihres Reisebüros nicht mehr ausreichten. Sie habe Informationstafeln auf den Verkaufstischen aufgestellt und halte ihre Mitarbeiter dazu an, die Kunden stets auf die Service-Entgelte hinzuweisen. Nach ihrer Einschätzung hat sie seit deren Einführung keine Kunden verloren.

Eine ganz andere Position vertrat Zedelmaier. Sie sprach sich strikt gegen die Erhebung von Service-Entgelten in den Bereichen aus, in denen das Reisebüro in seiner klassischen Funktion als Reisevermittler tätig wird. Allerdings verlange sie in ihrem eigenen Reisebüro bereits seit ca. 10 Jahren Entgelte für die Erbringung von Sonder- und Zusatzleistungen, wie etwa die Organisation und Buchung einer Dialysestation am Urlaubsort. Wenn das Reisebüro eine eigene Leistung erbringe, so hafte es selbstverständlich auch für deren Ordnungsgemäßheit. Das rechtfertige auch die Erhebung eines Entgelts. Gleiches gelte für andere Leistungen, für die das Reisebüro nicht lediglich als Vermittler und damit Handelsvertreter tätig werde.

Hamburger, nach seinen Erfahrungen in der Praxis des DRV befragt, betonte, dass es weder in der Beratungstätigkeit noch im Verhältnis der Reisebüros zu den Kunden Probleme bei der Einführung von Service-Entgelten gegeben habe. Dies sei allenfalls ein von den Medien geschaffenes Problem.

Die AgV, so Brönneke, stehe auf dem Standpunkt, dass für ein reines Verkaufsgespräch kein Entgelt verlangt werden dürfe. Bei umfangreichen Recherchen durch das Reisebüro könne man allerdings über die Einführung von Service-Entgelten nachdenken. Das darf aber nicht dazu führen, dass der Verbraucher alle möglichen Teilleistungen separat zu bezahlen habe, weil sie aus dem Gesamtpreis herausgerechnet werden. Denn dann fehle es an der nach der Preisangabenverordnung erforderlichen Vergleichbarkeit der Preise. Brönneke riet den Verbrauchern, preisbewusst und daher dort zu buchen, wo kein Service-Entgelt verlangt werde.

Oetterli berichtete von den in der Schweiz bereits seit mehreren Jahren verlangten sog. »Dossiergebühren«, die Kunden bei Buchungen im Reisebüro zu zahlen haben. Gegen deren Einführung hatten sich die weniger stark organisierten schweizerischen Verbraucherverbände nur anfänglich gewehrt. Der Schweizer Reisebüroverband hatte den Reisebüros zunächst die Erhebung einer Gebühr von 20 Franken (umgerechnet etwa 25 DM, Anm. der Verf.) empfohlen, dies aber in das Ermessen der Reisebüros gestellt. Auch nach der schweizerischen Preisbekanntgabeverordnung muss der Kunde aber vorher darüber informiert werden, in welcher Höhe er ein Entgelt zu zahlen hat. Da dies bei der abgegebenen Empfehlung zunächst nicht der Fall war, sei er als Ombudsman gegen diese Praxis eingeschritten. Nunmehr befinden sich auf den Verkaufstischen der Reisebüros Schilder mit dem Hinweis auf die zu entrichtenden 20 Franken. Probleme bereiten nach Auskunft Oetterlis in diesem Zusammenhang vor allem Doppelbuchungen, von denen eine storniert wer den soll, sowie die Zunahme von Buchungen über das Internet, bei denen sich die Reisenden nur noch die Informationen im Reisebüro holen, ohne hierfür ein Entgelt zu zahlen.

Rechtsanwalt Noll nahm dazu Stellung, was Reisebüros bei der Erhebung von Service-Entgelten beachten müssen. Er wies nachdrücklich darauf hin, dass ein bloßer Hinweis auf den Verkaufstischen im Reisebüro nicht ausreicht. Vielmehr müssen die Entgelte mit dem Kunden vertraglich vereinbart werden. Schließlich gab er zu bedenken, dass der in diesem Zusammenhang häufig verwendete Begriff der »Gebühr« juristisch nicht korrekt sei. Es handele sich nicht um eine staatlich verordnete »Abgabe«, sondern um ein privatrechtlich vereinbartes Entgelt. Entgegen der Ansicht von Zedelmaier meinte Noll, dass sich allein durch das Verlangen von Entgelt für bestimmte Leistungen an der Rollenverteilung - das Reisebüro als bloßer Handelsvertreter - nichts ändere. Dem schloss sich auch Hamburger an, der erklärte, dass es sich trotz Entgeltverlangens um eine klassische Vermittlungsleistung handele. Das Entgelt könne auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Reisebüro und Kunden über die Entgeltlichkeit einer Gesch äftsbesorgung verlangt werden.

Brönneke machte auf einen aus der Diskussion bisher ausgeklammerten Aspekt aufmerksam: Die »Fronten« verlaufen im Grunde genommen nicht zwischen Reisebüros und Verbrauchern, sondern zwischen Reisebüros und bestimmten Leistungsträgern, wie der Lufthansa oder der Deutschen Bahn. Denn letztere hatten mit ihren Provisionskürzungen zu dem Entgeltverlangen einiger Reisebüros Anlass gegeben. Die AgV versuche zu verhindern, dass »den Letzten - in diesem Fall den Verbraucher - die Hunde beißen«. Schließlich bezweifelte Brönneke, dass Service-Entgelte auch dann verlangt werden dürfen, wenn Reisebüro und Leistungsträger konzernmäßig verbunden sind.

Nach Auffassung von Zedelmaier stellt sich die Rechtslage im Zusammenhang mit dem Entgeltverlangen durchaus nicht so einfach dar, wie von Noll behauptet. Sie hob darüber hinaus hervor, dass die für die Erbringung einer Leistung - etwa den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen - entstehenden Kosten auch in die Kalkulation einbezogen werden müssen. Die Leistungsträger können nicht auf ein Vertriebssystem bauen und das dann nicht bezahlen, so Zedelmaier. Für Produkte, die nicht so einfach (also über den Direktvertrieb, Anm. der Verf.) abzusetzen seien, würden die Reisebüros nach wie vor benötigt. Letztlich würden aber gerade sie unter der jetzigen Situation leiden, denn den Kunden werde suggeriert, dass die von den Reisebüros erbrachten Leistungen teurer seien, obwohl die im Direktvertrieb genannten Preise nur optisch billiger seien. Zedelmaier sprach sich daher nochmals nachdrücklich dafür aus, für ein normales produktbezogenes Verkaufsgespräch kein Entgelt zu verlangen. Wie Brönneke verwies auch sie di esbezüglich auf die Preisangabenverordnung. Zudem sei es gewerbepolitisch nicht wünschenswert, für reine Vermittlungsleistungen Entgelte zu verlangen.

Hier hakte Brönneke ein und wies darauf hin, dass eine Einzelausweisung für den Kunden nicht transparent, der Sinn der Preisangabenverordnung aber die Herstellung der Vergleichbarkeit von Gesamtpreisen sei. Gegen alles andere werde sich die AgV stets wehren. Dem schloss sich auch Noll an. Dennoch, wiederholte er, mache ein Entgeltverlangen das Reisebüro noch nicht zum Vertragspartner. Den Reisebüros dürfe nicht der »Schwarze Peter« zugeschoben werden. Allerdings lasse sich die Entwicklung nicht aufhalten; möglicherweise würden die Reisebüros daher in Zukunft ganz neue Aufgaben finden müssen. Diese Einschätzung teilten alle Vertreter auf dem Podium.

Das eigentliche Problem, so Zedelmaier, sei aber im Moment, dass die Fluggesellschaften für geringere Provisionen die gleichen Leistungen von den Reisebüros verlangten. Sie übte deutliche Kritik an den Leistungsträgern und forderte, Provisionen auch weiter in der entsprechenden Höhe zu zahlen, solange den Reisebüros nur »vorsintflutliches« Handwerkszeug zur Verfügung gestellt werde.

Hildebrandt stellte daraufhin die Frage, ob der Trend in den Reisebüros nicht dahin gehen müsse, dass diese sich als Kundenberater verstehen und sog. "transaction fees" zukünftig auch bei Tourismus- und nicht nur wie bisher bei Businessreisen verlangen sollten. Hamburger gab zu bedenken, dass der Handelsvertreterstatus den Reisebüros ja auch einen gewissen Schutz verschaffe und daher grundsätzlich beibehalten werden sollte. Hierfür setze sich der DRV ein.

Auf die Frage Hildebrandts, ob im Zuge der Verbreitung des Internets mit einer Beschleunigung der Entwicklung bei den Service-Entgelten zu rechnen sei, entgegnete Hieke, dass die Reisebüros die Wahl hätten, die entsprechenden Leistungen gar nicht mehr oder nur unter Verlusten zu vermitteln. Sie sei überzeugt, dass Provisionskürzungen nicht zurückgenommen, die Preise aber auch nicht entsprechend ermäßigt würden. Demzufolge handele es sich hier um eine indirekte Preiserhöhung. Das Internet sei ohne Zweifel als neues Verkaufsmedium nicht aufzuhalten. Auch Hieke sah es in diesem Zusammenhang als problematisch an, dass den Kunden im Internet nur die Nettopreise genannt werden. Sie buchen dann zwar das Ticket über das Internet, lassen sich aber im Reisebüro - kostenlos - beraten. Hieke mahnte daher, dass nur jetzt der richtige Zeitpunkt für die Einführung der Entgelte sei. Sie sagte wörtlich: »Wenn wir jetzt keine Entgelte nehmen, können wir es nie tun.«

Auf die Feststellung Hildebrandts, dass in der Schweiz der Direktvertrieb schon vor Einführung des Internets stärker als in Deutschland ausgebaut war, entgegnete Oetterli, er könne nicht sagen, ob die Einführung von Entgelten zu einer Ausweitung des Direktvertriebs geführt habe. Er nahm an, dass Veranstalter, die sich neuer Buchungskanäle bedienen, lediglich den Anschluss nicht verpassen wollen. Dennoch seien gerade ältere Leute ein großes Potenzial für die Reisebranche. Sie aber buchen nach wie vor im Reisebüro.

Hieke sprach sodann gar von einer für die Reisebüros existenzbedrohenden Gefahr durch die Zunahme des Direktvertriebs. Sie prophezeite, dass nur diejenigen Reisebüros überleben werden, die gleichzeitig auch »virtuelles Reisebüro« seien. Die Reisebüros müssten sich im Internet eine eigene Homepage schaffen, für die sie auf all ihren Unterlagen werben. Dort müsse der Kunde die Möglichkeit haben, sich über Angebote zu informieren. Nur auf diese Weise seien die Reisebüros weiterhin am Vertrieb zu beteiligen, denn der Kunde der Zukunft, so Hieke, wird über das Internet buchen.

Mit seiner an Noll gerichteten Frage, ob nun Service-Entgelte im Reisebüro eher Rechtsfalle als Chance seien, griff Hildebrandt noch einmal das eigentliche Thema der Veranstaltung auf. Eine Chance, so Noll, sei es für die Reisebüros insofern, als sie sich durch die Qualität ihrer Beratung profilieren können. Denn der Nachteil bestehe für den Kunden gegenwärtig vor allem darin, dass seine umfassende Information über das Internet nicht gewährleistet sei. Er sei daher nach wie vor besser beraten, ins Reisebüro zu gehen. Noll bezweifelte, dass Veranstalter wie die TUI ihre Allgemeinen Reisebedingungen in Gänze ins Internet gestellt haben.

"Ist demnach das Internet ein rechtsfreier Raum?", lautete die Frage von Hildebrandt. Brönneke verneinte dies, auch wenn der Vertrieb über das Internet nach Beobachtung der AgV noch in den Kinderschuhen stecke. Wir befänden uns zurzeit in einem Übergangsstadium, wobei die Möglichkeit der Kenntnisnahme von AGB tatsächlich ein großes Problem darstelle. Andererseits biete das Internet durchaus die Möglichkeit, mehr Informationen zu geben. Allerdings erwartet Brönneke auch für die Zukunft nicht, dass jeder Haushalt über einen Internet-Zugang verfügen wird. Die AgV präferiere daher keinen der verschiedenen Vertriebswege. Den Reisebüros prophezeite auch Brönneke, dass diese sich zukünftig nur durch gute Beratung würden abheben und profilieren können.

Diese Bemerkung veranlasste den Moderator zu dem Vorschlag, die Entgelte mit der Qualität der Beratungsleistung zu begründen. Hamburger erwiderte, dass jedenfalls deutlich werden müsse, dass die Entgelte kein bloßer Selbstzweck seien, sondern für eine gute technische Ausstattung der Reisebüros und eine geschulte Beratung eingesetzt würden.

In der allgemeinen Diskussion fragte Herr Hess, Travelsafe, Passau, wo die Schmerzgrenze der Reisebüros im Hinblick auf Provisionskürzungen liege. Frau Hieke entgegnete, dies sei eine persönliche Entscheidung eines jeden Unternehmers. Auf die konkrete Frage von Hess, ob sie bei einer Absenkung der Provision für die Vermittlung von Pauschalreisen auf 5% auch dafür Entgelte verlangen würde, antwortete sie, dass dies durchaus möglich, gegenwärtig aber offen sei. Frau Zedelmaier erklärte, es sei unlogisch, dass bei langen Beratungen, an deren Ende keine Buchung erfolge, kein Entgelt verlangt werde, während das bei Buchungen - unabhängig vom Beratungsaufwand - der Fall sei. Ein Entgelt dürfe nur bei umfangreicheren Beratungen geltend gemacht werden. Die Reisebüros müssten darauf drängen, dass ihre Leistungen von den Leistungsträgern bezahlt würden.

Frau Peichl, freie Journalistin, fragte, ob durch die Provisionskürzungen nicht die Neutralität der Reisebüros insoweit gefährdet sei, als diese den Reisenden zu den Veranstaltern mit den »weniger schlechten Provisionen« hinführen würden. Hamburger entgegnete, es handele sich bei den Entgelten nicht um Beratungsgebühren, sondern um die Vergütung defizitärer Leistungen der Reisebüros. Die von Peichl beschriebene Gefahr sah er dennoch nicht. Das Reisebüro sei vielmehr der Anwalt des Kunden. Nach Ansicht Brönnekes läge eine eigenständige Beratungsleistung nur vor, wenn das Reisebüro gleichsam "Informationsbroker" wäre. Derzeit sei dies aber nicht der Fall. Durchaus nachvollziehbar würden daher die Reisebüros auch ihre eigenen wirtschaftlichen Belange berücksichtigen, vermutete er. Demgegenüber sah Hieke in den unterschiedlichen Provisionskürzungen keine Gefahr für eine neutrale Beratung durch die Reisebüros. Sie würden den Kunden schon deshalb die bestmögliche Beratung zuteil werden lassen, damit diese bei m nächsten Mal wiederkehrten.

Am Ende der zum Teil sehr erregten Diskussionsrunde resümierte Hildebrandt, dass Service-Entgelte durchaus eine Chance für die Reisebüros bedeuten könnten, wenn diese sich durch eine besonders gute Beratung auszeichneten. Noch, so Hildebrandt, befinden wir uns in einem Raum, der durch das geltende Recht gedeckt wird. Noch wird am Handelsvertreterstatus nicht gerüttelt. Es wird sich zeigen, was die Zukunft bringt.